To Go Or Not To Go


Was zieht Führungskräfte ins Ausland?

Unternehmen, die Auslandsstandorte haben, entsenden regelmäßig Mitarbeiter an diese Standorte, teils für substantielle Zeiträume von mehreren Jahren, teils für kürzere Perioden. Sie werden eingesetzt für Aufgaben der Unternehmenssteuerung, zur Integration fusionierter Unternehmen und Unternehmensteile oder zum wechselseitigen Know-how-Transfer.  Der Anteil von Führungskräften, die Management-Aufgaben an den internationalen Standorten übernehmen, ist dabei seit Jahrzehenten relativ konstant1. Hingegen steigt die Anzahl der Mitarbeiter, die zur Durchführung befristeter Projekte und Aufgaben entsandt werden2. Verstärkt werden dabei neben Führungskräften Fachkräfte vieler Ebenen zu Einsätzen in ausländische Standorte entsandt.  Generell nimmt der Anteil der Kurzzeit-Entsendungenkontinuierlich zu3. Addieren kann man zu diesen Faktoren noch den Trend der Wirtschaft zur Internationalisierung, der auch im Bereich mittelständischer Unternehmen Einzug gehalten und sich – trotz einiger Schwankungen – verstetigt hat. Das hat zur Folge, dass ein immer größer werdender Teil der Mitarbeiterschaft von Unternehmen sich im Laufe der Karriere mit der beruflichen Möglichkeit wird auseinandersetzen müssen, Deutschland periodisch oder auch längerfristig zu verlassen.

Nur noch ein Katzensprung?

Die Generationen X, Y und Z haben, anders als die Generation der Baby-Boomer, zu einem immer größer werdenden Teil schon sehr früh und recht kontinuierlich „Auslandserfahrungen“ gemacht, angefangen mit den Urlauben der Eltern quer über Europa oder auch darüber hinaus, work&travel-Aufenthalten nach dem Abitur oder die Mitarbeit an Projekten zur Überbrückung von gap-years bis hin zu Auslandssemestern während des Studiums oder Forschungsstipendien an ausländischen Instituten.

Sind Entsendungenaus diesem Blickwinkel einfach die logische Fortsetzung dieser evtl. früh erfolgten individuellen „Internationalisierung“? Ist der Schritt in die Auslandsentsendungsomit zum „Katzensprung“ geworden? Hat für Mitarbeiter der Generation X und Y/ Millenials und für die neu in den Arbeitsmarkt kommende Generation Z der Auslandseinsatz eine ganz andere Bedeutung und auch einen anderen Stellenwert als für die Baby-Boomer? Was motiviert Mitarbeitende heutefür ihr Unternehmen an einen Auslandsstandort zu gehen?

Motive ins Ausland zu gehen

Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern hat sich über die letzten Jahrzehnte die Frage gestellt, welche Motive Mitarbeiter bewegen, einen solchen Posten anzunehmen – oder auch nicht. Erst kürzlich hat Benjamin Bader, Professor an der Universität Leuphana, Lüneburg, die jüngste Studie zu den Motiven, die Mitarbeiter dazu bewegen einen Auslandsposten anzunehmen, veröffentlicht, in der er die Veränderung der Motivationen nach 13 Jahren nachverfolgt4.

Die Studie ist in gleicher Weise bereits 2002 durchgeführt worden. Zu dem Zeitpunkt sahen die meisten Expats in der Auslandsentsendung die Möglichkeit sich sowohl persönlich als auch professionell weiterzuentwickeln. Diese beiden Motivgruppen sind auch heute die Spitzenreiter der Motive und sind in der Wichtigkeit noch gestiegen. Der spezifische Job im Ausland war 2002 sehr motivierend für einen großen Anteil der befragten Expatsund sie versprachen sich einen positiven Effekt auf ihre Karriere im Unternehmen.

2015 im Jahr der 2. Befragung ist der Anteil, für die der spezifische Job hohes Motivationspotential hat, deutlich geringer. Einen positiven Effekt versprechen sich heute sehr viel weniger Expats auf das berufliche Fortkommen innerhalb der Firma. Dafür ist das Motiv des persönlichen Karriere-„enhancement“ deutlich in den Vordergrund gerückt, also der Hoffnung generell ihre Chancen auf dem Führungskräfte-Markt zu verbessern. Zugenommen hat auch der Stellenwert des Motivs ’Furcht vor beschränkten Karrieremöglichkeiten am Inlandsstandort’ – eher ein Push-, denn ein Pull-Faktor. Monetäre Überlegungen spielten 2002 eine untergeordnete Rolle und haben als Motiv für eine Auslandsentsendung noch einmal an Bedeutung verloren.

Weitere Faktoren relevant

Bader und seine Vorgänger haben sich mit dem Thema Motive aus einer Perspektive der individuellen Nutzen-Analyse befasst. Wer vor der Entscheidung für oder gegen eine Entsendung steht, ist sicher gut beraten, sich mit dieser Perspektive auseinanderzusetzen. Daneben bedarf es für eine Entscheidung jedoch noch der Reflexion weiterer Aspekte, um letztendlich eine informierte Entscheidung für einen Auslandsaufenthalt treffen zu können.

Hierzu gehört die Dimension ‚Gastland’ mit all den interkulturellen Herausforderungen, die mit der neuen Position verbunden sind. Die eigeneninterkulturellenKompetenzen zu evaluieren und evtl. zu eruieren, ob eineBegleitungvon Unternehmensseite z.B. in Form vonCoachingsicher gestellt ist.

Dazu gehören ebenfalls die Entsendungsmotive des Unternehmens sowie die unternehmensinternen Strukturen zwischen Stammhaus und Auslandsstandort. Letzteres mag auf den ersten Blick keine bedeutende Dimension einer Auslandsentsendung sein, befragte Entsandte geben dies jedoch als einer der häufigsten Gründe für Unzufriedenheit am Auslandsstandort an5. Insbesondere Schnittstellenproblematiken und Rollenkonflikte werden dabei benannt. Eindeutige Kompetenzrichtlinien und praktikable Kommunikationsstrukturen sind Aspekte der Organisationsentwicklungund der Personalentwicklung, die es schon im Vorfeld zu besprechen gilt. Ein letzter und essentieller Aspekt ist die Gestaltung der Entsendung für einen Partner und etwaige Kinder. Gerade hier wird die Frage, wie lange eine Entsendung geplant ist, von großer Bedeutung sein. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass hier ein erhebliches Risikofür Entsendungsabbrüche liegt.

To go or not to go?

Den Motiven für eine Zustimmung zu einem Auslandseinsatz stehen ebenso Gründe für eine Ablehnung gegenüber. Um zu einer Entscheidung zu kommen, muss jede/jeder die Chancen, die Herausforderungen und die Risiken für sich und ihre/seine spezifische Situation abwägen. Eine informierte Entscheidung zu treffen ist wesentlich, um spätere Enttäuschungen und ein desillusionierendes Erwachen zu vermeiden, bzw. für mögliche Reibungspunkte und spezifische Herausforderungen gewappnet zu sein. Mit einem möglichst realistischen Blick diesen Schritt zu tun, ist eine gute Voraussetzung sowohl für Sie als auch für Ihr Unternehmen, dass die Entsendung ein Erfolg für beide Seiten wird.

Diejenigen, die sich gerade mit der Thematik beschäftigen, finden hier einen virtuellenLeitfaden, der Sie anhand von Fragen durch die wesentlichen Aspekte der Entscheidung führt.


zum Weiterlesen:

  1. https://www.eca-international.com/insights/articles/september-2016/managing-international-assignments/ 11.1.18
  2. https://www.eca-international.com/insights/articles/may-2016/the-decline-of-the-traditional-expat/ 11.1.18
  3. (https://www.eca-international.com/insights/articles/may-2016/the-decline-of-the-traditional-expat/ 11.1.18)
  4. Bader, B.(2017). Motivations of Global Careers Among Expatriates in German Companies: A Comparison with the Year 2002. in B. Bader, T. Schuster, & A. K. Bader (Hrsg.), Expatriate Management: Transatlantic Dialogues. (S. 1-26). London: Palgrave Macmillan.
  5. G.Stahl, Diener zweier Herren: die Rolle des Auslandsmanagers im internationalen Unternehmen, in G. Stahl et al, Internationales Personalmanagement, München, 2005, S. 295 ff

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