Lingua Franca und alles klar?


Unternehmen, die international tätig sind, müssen unternehmensintern Antworten auf die Frage finden, in welcher Sprache wer mit wem kommuniziert. Englisch als unternehmensweite Sprache bekommt in diesem Zusammenhang eine immer größere Bedeutung. Je stärker das Funktionieren über mehrere Länder- und Sprachgrenzen hinweg notwendig ist, desto stärker ist auch der Effekt auf das deutsche Mutterunternehmen, so dass English als Lingua Franca nicht nur im Ausland, sondern auch an den deutschen Stammsitzen zur Geschäftssprache wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine für alle geltende Sprache, die international schon eine hohe Verbreitung hat, ist der beste Weg Kommunikation und Kooperation, mündlich wie schriftlich zu ermöglichen. Mag dieses Konzept auch nicht für alle Beteiligten von Anfang an funktionieren, so stellen eine Begleitung durch Sprachkurse und die zunehmende Praxis sicher, dass die Sprachkompetenz aller Beteiligten Mitarbeiter sukzessive steigt. Eine Sprache für alle: Problem gelöst.

So könnte man meinen. Ein genauerer Blick in die Praxis zeigt jedoch, dass dieses Modell die Herausforderungen der unternehmensinternen internationalen Kommunikation nicht per se beseitigt und einige neue Risiken für einen reibungslosen Arbeitsalltag im Unternehmen sich bringt.

Eine standartisitierte Sprache macht nicht gleich

Der Zugang zur Lingua Franca im (internationalisierten) Unternehmen ist nie einheitlich. Es gibt die Unterscheidung zwischen denen, deren Muttersprache diese Sprache ist und jenen, die Sie erlernt haben. In letzterer Gruppe gibt es große Unterschiede ab welchem Alter in welcher Intensität und über welchen Zeitraum die Sprache gelernt wurde. Ebenso spielt die bisherige Sprachpraxis eine Rolle. Das führt zu sehr unterschiedlichen Sprachniveaus. Die individuelle Sprachkompetenz kann zudem mündlich oder schriftlich sehr unterschiedlich sein. Das jeweils individuelle Kompetenz-Empfinden und damit verbunden die „Aktivierbarkeit“ der Sprache wird u.a. beeinflusst durch die spezifischen Kommunikationssituationen und die Kommunikationskultur eines Unternehmens.

Unterschiedliche Sprachniveaus können, unter anderem, zu folgenden Verhaltensweisen führen: Diejenigen, die die Lingua Franca weniger beherrschen, zeigen unter Umständen ein Vermeidungsverhalten, die Betreffenden vermeiden es z.B. im Team, sich in der Unternehmenssprache zu äußern oder meiden generell Besprechungen so gut es geht. Wer sich sprachlich unwohl fühlt, schafft sich durch Wechseln in die eigene Muttersprache Entlastung und verstärkt seinen/ ihren Umgang mit Landsleuten bzw. Menschen aus dem gleichen Kulturraum. Dies birgt das Risiko, dass sich im Unternehmen Untergruppen bis hin zu Schatten- oder Parallel-Strukturen bilden, wenn Gesprächspartner*innen nicht nach hierarchischen oder fachlichen Kriterien ausgewählt werden, sondern nach sprachlichen. Interessant ist dabei, dass geringere  Unterschiede in den Sprachniveaus, z.B. wenn viele Mitarbeiter ein mittleres Niveau haben, zu mehr Kommunikation führt (Tenzer, S. 75).

Die Dynamik unterschiedlicher Sprachniveaus

Dies wiederum setzt eine soziale Interaktion in Gang: Diejenigen, deren Muttersprache die Lingua Franca ist, oder die sich mühelos(er) darin bewegen können, werden dazu verführt, ihre eigene Sprachkompetenz als Zeichen ihrer Fachkompetenz zu verstehen bzw. umgekehrt, jenen Kollegen, deren Sprachkenntnisse weniger vollkommen sind, Fachkompetenz-Defizite, Intelligenzdefizite oder sogar Persönlichkeitsdefizite zu unterstellen. Forschungen zeigen, dass dies nicht selten der Fall ist (Tenzer/ Schuster 2017; Gläsener 2018; Neeley 2013; Harzing & Feely 2008). Andererseits reagieren sie mit Unwohlsein und Verunsicherung und nicht selten auch Misstrauen, weil sie an der Kommunikation der “sprachlichen Untergruppen” nicht teilhaben können. Auslandsmanager, die im Rahmen einer Entsendung die Leitung einer Niederlassung im Ausland übernehmen, sollten für diese Mechanismen sensibilisiert sein, um im Bedarfsfall gegensteuern zu können. Ein gezieltes Coaching zur Begleitung einer Entsendung kann helfen, Fehlentwicklung früh zu erkennen und gegen zu steuern.

Sprache ist Macht

Sprachenvielfalt beeinflusst die Machtbeziehungen in Unternehmen erheblich. Diejenigen, so zeigen Studien, die die Lingua Franca des Unternehmens am Besten sprechen, haben größere Chancen in machtvollere Positionen zu kommen. Diejenigen, die dies nicht tun, sind weniger involviert in Entscheidungsprozesse (Tenzer etc. S. 71).

Mitarbeiter mit hohen Sprachkenntnissen können viel informelle Macht in Unternehmen besitzen –  insofern können Sprachungleichgewichte formale Machtstrukturen verzerren. Aber auch Untergruppen und Parallel-Strukturen können einflussreiche Machtzentren werden. Mitarbeiter, deren Muttersprache nicht die Lingua Franca des Unternehmens ist, befürchten negative Beurteilungen aufgrund ihrer eingeschränkten Sprachkenntnisse und in der Konsequenz einen negativen Effekt auf ihre Karriereaussichten innerhalb des Unternehmens. Diejenigen, die die Lingua Franca fliessend sprechen, können Informationen und Informationsflüsse kontrollieren. Um das Risiko solcher Fehlentwicklungen zu minimieren, lohnt es sich Strukturen zu schaffen, in denen mit sprachlicher Vielfalt konstruktiv umgegangen werden kann. Es liegt auch im Aufgabenbereich von Personal- und Organisationsentwicklung, Führungskräfte bei dieser Aufgabe zu unterstützen und zu begleiten.

Sprache: Faktor der Unternehmenseffizienz

Sprache ist ein zentrales Mittel zur Teilhabe; Teilhabe bedingt Status und Einflussmöglichkeiten. Sprachfertigkeit hat Konsequenzen für die Selbst- und Fremdwahrnehmung, u.a. für das individuelle Kompetenzempfinden und damit (empfundenen und realen) Durchsetzungs- und Erfolgschancen oder die Beurteilung. Zudem setzt Sprachfertigkeit und damit Kommunikationsfertigkeit soziale Prozesse in Gang. Durch Sprachprobleme ausgelöste Interaktionsdynamiken können zu Ineffizienz führen, die Zusammenarbeit erschweren und zu Verlusten in Produktivität und Performanz auf Teamebene  und auf Unternehmensebene führen.

Fazit:

Internationale unternehmensinterne Kommunikation ist und bleibt eine Herausforderung – auch mit einer Lingua Franca. Sie zu „managen“ bedarf neben der kontinuierlichen sprachlichen Schulung von Mitarbeitenden, einer bewussten Umgehensweise mit den unternehmensinternen Wirkungen unterschiedlicher Sprachniveaus. Dies ist nicht nur ein Zeichen gelungener Interkulturalität im Unternehmen, sondern ein Gebot zur Sicherstellung der Effektivität des Unternehmens. Es braucht eine Sensibilität für die durch unterschiedliche Sprachen und Sprachniveaus ausgelösten Dynamiken.

Führungskräfte sind an der geeigneten Stelle Machtungleichgewichte wahrzunehmen und auszubalancieren. Auslandsmanager brauchen Strategien, um mit dem Phänomen Sprache am Auslandsstandort umzugehen. So sollten Manager aktive Maßnahmen ergreifen, um die oben erwähnten Dynamiken zu adressieren, das heisst besprechbar zu machen. Ihnen obliegt es, in Teams und unter Mitarbeitern dafür Sorge tragen, dass aktiv an der Ausbalancierung von entstehenden (Macht- und Einfluss- ) Ungleichheiten gearbeitet wird. Es kann dabei hilfreich sein, als Auslandsmanager einen Ansprechpartner zu haben, um konkrete Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang aufzuarbeiten. Eine solche Begleitung oder Coaching kann durchaus auch “virtuell”, d.h. über Webconferencing, angeboten werden. Führungskräfte können ein Sprachmanagement in ihrem Einflussbereich fördern, das Teilhabe sicherstellt. So werden die Kompetenzen der Mitarbeiter, für die sie engagiert worden sind, zum Nutzen des Unternehmens abgerufen. Eine Lingua Franca stellt keine Gleichheit her. Sie ist eine Variante, mit Sprachenvielfalt in Unternehmen umzugehen. In Ergänzung braucht es mehrsprachige Kommunikationsstrategien, um die Interaktionen im Unternehmen zu organisieren.


zum Weiterlesen:

Gläser, K.; Macht und Mikropolitik in multilingualen Teams: Sprachkompetenz als Machtquelle in multinationalen Teams, 2018

Harzing, A.-W., & Feely, A.J.; The language barrier and its implications for HQ-subsidiary relationships,Cross Cultural Management,: An International Journal, 15(1), 2008, 49-61

Neeley, T.B.;  Language Matters, Status loss and achieved status distinction in global organizations, Organization Science, 24(2), 2013, 476-497

Tenzer, H.,  Schuster, T.; Language Barriers in Different Forms of International Assignment; in: Bader, B. et al, Expatriate Management – Transatlantic Dialogues, 2017


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