Internationalisierung mittelständischer Unternehmen


Schon seit langem sind Auslandsstandorte kein Privileg von Grossunternehmen mehr. Gerade auch im Feld mittelständischer Unternehmen hat Internationalisierung, wie so viele andere Prozesse auch, an Geschwindigkeit zugenommen. Hatten Unternehmen früher 10-15 Jahre Zeit einen Auslandstandort aufzubauen bzw. sich in einem Land zu etablieren, bevor andere Länder ins Blickfeld kamen, müssen sie heute quasi gleichzeitig ihre Internationalisierung in wichtigen Zukunftsmärkten leisten [1]. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie Lern- und Entwicklungsschritte oftmals nicht nacheinander, sondern gleichzeitig durchlaufen müssen. Das kann auch von Vorteil sein, wenn etwa Erfahrungen direkt übertragen werden können – zumindest soweit sie übertragbar sind. Das ist für zwei verschiedene Länder mit unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen Systemen nur begrenzt der Fall, so z.B. wenn ein Unternehmen relativ zeitgleich Auslandsstandorte in Indien und in China aufbaut. In jedem Fall ist aber die interne Flexibilität, die dies bedeutet, verbunden mit der Bewältigung der neuen Komplexität ist eine große Herausforderung an die interne Funktionsweise des Unternehmens. Hierzu brauchen international agierende Mittelständler ein beträchtliches Maß an Beweglichkeit, sprich Agilität.

Internationalisierung – eine unternehmensinterne Aufgabe

Unternehmensintern bedeutet die Etablierung und Betreibung von Auslandsstandorten immer den Versuch, unter sehr veränderten Voraussetzungen die gleichen, meist aber höhere Gewinne zu erzielen. Das Unternehmen versucht seine Ziele in einem Umfeld zu erreichen, das sich anders verhält und nach anderen Regeln funktioniert als Deutschland. Dazu muss es gleich gut, wenn nicht sogar besser funktionieren. Vor allem intern. Der Auslandsstandort muss sicherstellen, dass innerorganisatorische Prozesse und Funktionsweisen optimal auf den neuen Standort ausgerichtet sind, ohne die Synchronizität mit der Muttergesellschaft zu verlieren.

Herausforderungen auf Management- und Führungsebene

Auslandsmanager sind hier eine entscheidende Schnittstelle. Sie fungieren je nach Situation als Bindeglied, als Übersetzer oder als Vermittler zwischen Stammhaus und Auslandsstandort. Auslandsmanager stehen in dieser Position nicht selten im Fadenkreuz unterschiedlicher oder sogar gegensätzlicher Anforderungen und Erwartungen der verschiedenen Player im In- und Ausland, verbunden mit der Erwartung, als Anwalt Ihres jeweiligen Anliegens oder ihrer spezifischen Interessen zu agieren. (Welche Persönlichkeits- Muster vorzufinden sind, lesen Sie unter: “Expat-Typen”)). Eine äußerst komplexe Aufgabe! Das Risiko an dieser Widersprüchlichkeit zu scheitern ist nicht unerheblich. Die Anforderungen an die Qualität und Kompetenzen von Entsandten, diese Rolle entsprechend auszugestalten, sind entsprechend hoch.

Drei Bereiche verdienen bei der Betrachtungen der Herausforderungen, vor denen Auslandsmanager stehen, dabei besondere Aufmerksamkeit: (s. „Risikominderung durch Begleitung von Auslandsmanagern“

  • Zum einen die Schnittstellenfunktion zwischen Zentrale und lokaler Niederlassung. Hier besteht oft Lernbedarf des Gesamtunternehmens, um Prozesse und Strukturen an die Anforderungen Länderübergreifender Zusammenarbeit anzupassen. 
  • Zum zweiten stellt das Management ausländischer Standorte bezüglich der kulturellen Dimensionen hohe Anforderungen an das Management- und Führungsverhalten.
  • Zum dritten spielt der Aspekt ‚Familie’ im Kontext einer Entsendung eine grössere Rolle.

Herausforderungen und Chancen für die Personalentwicklung

Im Rahmen der Internationalisierung eines Unternehmens kommt der Personalentwicklung eine entscheidende Rolle zu. Ein Entsendungsprozess umfasst Vorbereitung, Begleitung und spätere Wiedereingliederung der entsandten Führungskraft. Dabei entwickelt sich nicht nur die Führungskraft weiter, sondern auch das Unternehmen selbst. Die Personalentwicklung kann diese wechselseitigen Lern- und Erkenntnisprozesse zwischen Führungskräften und Unternehmen mit geeigneten Prozessen und Methoden auf den Weg bringen, systematisieren und steuern, und so neben der Kompetenzsteigerung der Führungskräfte das Bindeglied zur Unternehmensentwicklung darstellen.

Die Führungskräfte-Entwicklung der Auslandsmanager kann ein wichtiger Baustein zur internen Unternehmensentwicklung in Internationalisierungsprozessen werden. Ein Unternehmen, dass über Direktinvestionen im Ausland tätig ist, lernt nicht nur viel über das Gastland, sondern ebenso viel über sich selbst. Wenn denn das Interesse, die Bereitschaft und Offenheit für diese Erkenntnisse vorhanden sind.

Risikominderung durch Vorbereitung und Begleitung

Eine sorgfältige Auswahl und Schulung einer Führungskraft vor der Entsendung kann dazu betragen, diese Risiken zu mindern. Kulturelle Sensibilisierung und länderspezifische Informationen über Sitten und Gepflogenheiten schaffen ein gewisses Bewusstsein, was auf jmd. zukommen könnte. Auch die beste Vorbereitung kann jedoch keine situative Handlungsfähigkeit entwickeln. Denn die wirklichen Fragen und Herausforderungen mit dem Gastland tauchen erst vor Ort auf: wenn die Führungskraft mit ihrem gewohnten Führungsstil wenig Wirkung erzielt; wenn alle freundlich und wohlmeinend mit einander umgehen, die Arbeitsabläufe aber dennoch unrund laufen, wenn ein wichtiger Kunde irritiert auf eine Email reagiert. Interkulturelle Trainings bereiten zudem nicht auf die anderen Dimensionen von Auslandsentsendungen vor.

Die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit des Entsandten vor Ort kann effektiv, weil situationsbezogen, konkret und handlungsbezogen, am besten während der Entsendung geleistet werden. Im internationalen Kontext vermag das Business-Coaching als individuelle Unterstützungsmaßnahme ganz spezifisch auf die Situation der einzelnen Führungskraft im jeweiligen Gastland einzugehen. Es ist in diesem Sinne besonders dazu geeignet, die mit der Entsendung verbundenen Risiken für das Unternehmen zu vermindern. (näheres dazu s. „Risikominderung durch Begleitung von Auslandsmanagern“)


zum Weiterlesen:

[1] H. Haussmann et al, Internationalisierung mittelständischer Weltmarktführer in die BRIC Staaten,in s. Schmid Management der Internationalisierung, 2009, S. 492 


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